Blankoverordnungen in der Physiotherapie
Einführung
Ab dem 01.11.2024 können Blankoverordnungen zu Diagnosen im Bereich des Schultergelenks ausgestellt werden. Stellt der Arzt eine Blankoverordnung aus, kann der Physiotherapeut eigenständig die Art des Heilmittels, die Anzahl der Behandlungseinheiten sowie die Frequenz der Therapie bestimmen.
Beispielhafter Ablauf der Behandlung eines Patienten mit Diagnose M75.4 Impingement-Syndrom der Schulter re.
1. Organisatorisches:
Sie kommen mit einer Blankoverordnung zu uns und wir erläutern Ihnen die Vorgehensweise, planen Termine und weisen Sie auf die gesetzlich vorgegebene Zuzahlung hin.
In Ihrem ersten Termin wird der Therapeut zunächst eine Diagnostik durchführen, auf deren Basis er dann einen Behandlungsplan erstellt. Das heißt, er entscheidet, welches Heilmittel voraussichtlich wie häufig und in welchen Abständen Anwendung
finden soll.
2. Physiotherapeutische Diagnostik:
Der Physiotherapeut beginnt mit der Leistungserbringung. Bei einer Blankoverordnung ist er verpflichtet, zunächst eine physiotherapeutische Diagnostik durchzuführen, um auf Grundlage der Ergebnisse Therapieziele zu definieren und eine individuelle Therapieplanung vorzunehmen.
Die physiotherapeutische Diagnostik erfolgt unter Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Modells/der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) und umfasst beispielsweise folgende Leistungen:
- Bewertung der patientenbezogenen Unterlagen (z.B. MRT-Bericht, Arztberichte, bisherige Therapieberichte)
- Physiotherapeutische Anamnese
- Physiotherapeutische Inspektion und Palpation
- Funktionsprüfung unter Anwendung adäquater Messverfahren zur Befundsicherung (z.B. globale Prüfung der Beweglichkeit mittels Nacken- und Schürzengriff, spezifische Überprüfung der passiven und aktiven Beweglichkeit nach Neutral-Null-Methode)
- Differenzierte Assessmentmethoden, Beobachtungs-, Befragungs- und Testverfahren (z.B. Visuelle Analogskala (VAS) zur Erfassung von Schmerzintensitäten)
- Erstellen einer physiotherapeutischen Diagnose (Funktionsdiagnose), z. B.: Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bei Überkopfarbeiten aufgrund von Elevations-, Abduktions- und Rotationsdefizit insbesondere durch kapsuläre Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk, schmerzhaftem M. supraspinatus sowie Kraftdefizit der Rotatorenmanschette
Zur physiotherapeutischen Diagnostik gehört auch die Festlegung des oder der Therapieziele unter Einbeziehung des Patienten. Hierbei können Zwischenziele und Ziele formuliert werden. Eine Objektivierung durch Messbarkeit sollte sichergestellt werden.
Zwischenziele z. B.:
- Schmerzreduktion
- Verbesserung der passiven und aktiven Beweglichkeit im Schultergelenk in Flex, Abd, IR, AR
- Anbahnen Caudalgleiten Humerus
- Kräftigung der Rotatorenmanschette
- Schmerzfreiheit wiederherstellen
Die Ergebnisse der physiotherapeutischen Diagnostik werden dokumentiert.
3. Therapieplanung:
Auf Grundlage der Physiotherapeutischen Diagnostik erfolgt vor Beginn der Therapie die Therapieplanung des Therapeuten. Dabei folgt er therapeutischen Grundsätzen. Das heißt: Der Therapeut wählt die aus fachlicher Sicht erforderlichen Maßnahmen. Entsprechend der festgelegten Therapieziele und auf Basis seiner prognostischen Einschätzung plant er, welche Art des Heilmittels Anwendung finden soll, die Anzahl der Behandlungseinheiten sowie die Frequenz der Therapie. Auf Grundlage der physiotherapeutischen Diagnostik legt der Therapeut zunächst X Behandlungseinheiten der vorrangigen und ggf. eines ergänzenden Heilmittels fest und Termine werden dementsprechend vereinbart.
Dabei hat eine Blankoverordnung eine Gültigkeit von 16 Wochen. In dieser Zeit können Behandlungseinheiten, auch mit Unterbrechung, durchgeführt werden.
Die Therapieplanung muss vom Therapeuten dokumentiert werden. Die Regelungen zur Begrenzung der KMT gelten auch bei der Blankoverordnung (max. 12 Einheiten innerhalb eines halben Jahres).
Hinweis: Sollte eine Manuelle Lymphdrainage erforderlich sein, muss diese vom Arzt gesondert verordnet werden.
Die Therapieplanung wird kontinuierlich geprüft und gegebenenfalls angepasst.
Das bedeutet:
- Im Laufe der Behandlungsserie entscheidet der Physiotherapeut regelmäßig, ob die Therapie ggf. angepasst werden muss (z. B., ob weitere Behandlungseinheiten notwendig sind) oder, ob die Therapie abgeschlossen werden kann.
- Die Anpassung des Therapieplans wird dokumentiert.
4. Bedarfs- / Abschlussdiagnostik:
Frühestens 28 Tagen nach der physiotherapeutischen Diagnostik kann der Physiotherapeut die sogenannte Bedarfs- oder Abschlussdiagnostik durchführen.
Die Bedarfsdiagnostik dient der Überprüfung der bisher erreichten Therapieziele im Therapieverlauf und ggf. der Anpassung des Therapieplans (Zwischendiagnostik).
Die Bedarfsdiagnostik umfasst beispielsweise folgende Leistungen:
- Wiederholung der eingesetzten Funktionsprüfungen, Assessements etc. der Eingangsdiagnostik.
- Bewertung des (bisherigen) Therapieverlaufs und des Erreichungsgrads der Therapieziele (z. B. Teilziele erreicht/teilweise erreicht).
- Ggf. Anpassung des oder der Therapieziele und des Therapieplans unter Einbezug des Patienten.
- Ggf. Anpassung der Heilmittel (z. B. von MT zu KG-Gerät) oder Planung weiterer Behandlungseinheiten und/oder Anpassung der Therapiefrequenz.
- Ggf. Abschluss der Therapie, da das Therapieziel erreicht ist.
Oder der Abschlussdiagnostik am Ende der Therapie.
Die Ergebnisse der Bedarfs- oder Abschlussdiagnostik werden dokumentiert.
Ist das Therapieziel erreicht, ist die Behandlung auch vor Ablauf der 16 Wochen zu beenden.
5. Mitteilung an den Arzt:
Falls vom Arzt angefordert (Feld „Therapiebericht“ ist angekreuzt), übermittelt der Therapeut dem Arzt Informationen zur Behandlung.
Der Bericht muss folgende Inhalte umfassen:
- Geplantes Therapieziel, Erreichung des Therapieziels
- Angewendete Heilmittel und
- Anzahl der Therapieeinheiten,
- Dauer der Therapie (in Wochen)
- Gesamtdauer der Therapie
- Weiterführende Hinweise (z. B. Compliance des Patienten)
- Patient wurde zu Eigenübungen angeleitet, die während der Therapie kontrolliert und angepasst wurden. Diese führt er selbstständig zuhause durch.
Beendigung vor der 16 Wochen-Frist
Der Therapeut stellt beispielsweise nach 10 Wochen die Erreichung seines Therapieziels fest und beendet die Behandlung.
2 Wochen nach Beendigung der Therapie wird der Patient in der Praxis mit wiederkehrenden Beschwerden vorstellig.
Da eine Blankoverordnung noch gültig ist, kann der Therapeut den Patienten erneut maximal für die restlichen 6 Wochen behandeln. Nach Abschluss der zusätzlichen Therapieeinheiten zieht er die Zuzahlung für die nun geleisteten Therapieeinheiten vom Patienten ein.
Hinweis: Kommt der Patient mit Beschwerden, die einer ärztlichen Untersuchung bedürfen (z. B. Sturz auf die Schulter), verweist der Therapeut an den Arzt zur Abklärung der Beschwerden.
Nach den 16 Wochen kann der Arzt eine erneute Blankoverordnung ausstellen.
Gültigkeit einer Blankoverordnung
- Gültig für 16 Wochen ab Ausstellungsdatum
- Beginn innerhalb von 28 Tagen ab Ausstellungsdatum
- Therapeut entscheidet, wann Therapie beendet ist
- Behandlung kann bei Rezidiv innerhalb der 16 Wochen wieder aufgenommen werden (ohne neue Verordnung)
- Unterbrechungen länger als 14 Kalendertage ohne Begründung möglich
- Unterbrechungen verlängern die Gültigkeit von 16 Wochen nicht
Nach Abschluss (16 Wochen) ist eine weitere Blankoverordnung für dieselbe Diagnose möglich.
Parallele Blanko- oder konventionelle Verordnungen für dieselbe Schulterseite sind nicht erlaubt, auch nicht bei unterschiedlichen Diagnosen.